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Cordo Berlin

Ein ganz großer Weinkenner! Ein ganz bekannter TV-Juror! Ein ganz charmanter Gastgeber! Gerhard Retter ist auf den deutschen und österreichischen Weingütern zu Hause und verkostet, genießt und charakterisiert die Reben von Welt. Man könnte meinen, er vertreibe sich die Corona-Zeit mit guten Weinen – und das tut er wahrscheinlich auch. Ganz nebenbei leitet er noch das CORDO, einen der Top-Gourmet-Spots unserer Hauptstadt. Und auch damit ist sein Repertoire an Wissen und Kreativität noch nicht erschöpft...


Geile Weine an wunderschönen Orten – ist das (gerade) deine Welt? 

In Bezug auf den Wein trifft es das ziemlich genau, das Einzige was zur Vollendung noch fehlt sind die besonderen Menschen, mit denen man diese Weine und Orte teilen darf. Aber es wird wieder zurückkommen, das gemeinsame Genießen in der realen Welt! Was mache ich? Dass, was ich am besten kann: reden, reden über Wein, über guten und überaus guten Wein. Es ist ganz simpel. Man kann mich natürlich bezahlen - aber nicht kaufen. Die Wahrheit steckt im Glase: Holt mich der Wein ab, ist die Chance sehr groß, dass ich ihn via Social Media auch empfehle. Ob’s was bringt oder jemanden tatsächlich interessiert, ist mir vollkommen Wurscht (um es auf österreichisch zu sagen!). Kurz und knapp würde ich sagen: Trinken bildet! Man lernt sehr viel vom Wein - über die Menschen, über die Herkunft, die Natur, die Historie, Genuss und Kultur, vor allem aber auch über sich selbst! Diese Verkosterei ist allerdings eher ”Hobby” - eben der #retterbericht...


Was machst du darüber hinaus?

Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich mit meinem neuen Projekt in der Maximilianstraße/München, ein Gastro-Konzept mit dem Fokus auf Casual Fine Dining. Konzeptionell sind wir sehr weit, nun geht es ans Realisieren. Der Bau schreitet unaufhaltsam voran, Design und CI sind mehr oder weniger fixiert, nun geben wir dem Projekt nicht nur Namen, sondern auch Gesicht und Charakter. Interviews werden geführt, und wir suchen Gleichgesinnte, die mit uns den steinigen Weg einer authentischen herzlichen Gastronomie an einer der prominentesten Lagen Deutschlands gehen möchten. Eine verantwortungsvolle, herausfordernde Aufgabe und wohl der Schlüssel zum Erfolg: Wände, so hübsch sie auch sein mögen, machen keinen Erfolg. Das machen nur Herzen, idealerweise Herzen mit Know-how! Diese Herzen versuchen wir um uns zu scharren. Man wird sehen, der Start ist fürs erste Quartal 21 angedacht.


Wie erleben die Winzer die Corona-Zeit?

Die Winzer haben einen Vor- und Nachteil: Der Natur ist COVID19 Blunzn (aka Blutwurst was wiederum ein wienerisches Synonym für „is mir Wurscht!“ ist). Soll heißen, die Arbeit geht weiter, und es ist kein Lockdown möglich in der Landwirtschaft. Der Nachteil besteht natürlich im teilweisen Zusammenbruch des (Gastro-)Marktes, was abgesehen von der enormen monetären Belastung vor allem ein riesiges, logisches Problem darstellt. Wohin mit dem neuen Jahrgang, wenn da noch der oder die alten Jahrgänge liegen? 

Online und Digitalisierung haben hier natürlich auch einen enormem Sprung gemacht und kompensieren in Teilbereichen einiges, vollständig ersetzen kann das Netz den persönlichen Kontakt Gott sei Dank nicht, aber in vielen Bereichen der PR und des Marketings wird man die zwar erzwungenen „Annehmlichkeiten“ der aktuellen Situation wohl dauerhaft implementieren. 


Wie wird sich die Krise (deiner Meinung nach) auf die Gastro auswirken?

Ich denke, das Pendel wird sehr weit ausschlagen – leider in beide Richtungen! Insolvenzen werden unvermeidbar sein, möglicherweise nicht sofort. Die Nachbeben werden mehr Häuser und Träume zerstören, als der unmittelbare Lockdown. Die Last der Verbindlichkeiten wird über kurz oder lang wie ein Bumerang zurückgekommen und leider gerade den kleinen individuellen, Herzblutgastronomem brutal treffen. Das sind Unternehmer, die Tag aus, Tag ein ihr letztes Hemd für ihren Traum der Selbständigkeit, der Selbstverwirklichung und ja, der Freiheit ihrer Passion nachzugehen geben. Da gibt es meist keine Rücklagen, keine Liquidität und wenig bis keine solide, nüchterne Kalkulation. Da gibt es Hingabe und man muss es klar sagen: Aufopferung und „im Idealfall nur Selbstausbeutung“. Wenn die Regierung und der Konsument diese Vielfalt und Struktur bewahren will, bedarf es unbürokratischer, teilweise auch stark betriebswirtschaftlich fragwürdiger Hilfen! Würde es fast unter dem Deckmantel der Kulturförderung sehen. Letztlich ist es das ja auch!


Gibt es auch Gewinner?

Gewinner gibt es natürlich auch. Ja, meist mit dicker Brieftasche (meist nicht die eigene!), aber auch Innovative, Kreative, die sich rasch dem Markt angepasst haben. Leider ist das die Minderheit, was aber zum Großteil wohl an der geographischen Lage der Betriebe liegt. Wo keine Menschen sind, ist auch kein Markt, egal wie innovativ und ambitioniert man da ran geht. Gross frisst klein wird wohl häufig zutreffen in den nächsten Jahren. Nüchtern könnte man von Korrektur des Marktes sprechen aber ist es nicht eher eine Verarmung und Verrohung des Marktes? 

Abgesehen davon bedeutet das wohl auf der einen Seite eine Entspannung in der Personalsituation (für den Arbeitgeber wohlgemerkt!). Andererseits befürchte ich, dass viele Errungenschaften der letzten Jahre in Bezug auf Entlohnung und Arbeitszeiten Gefahr laufen, wieder verloren zu gehen. Mein Appell hierzu geht an Kollegen wie Konsumenten: Bitte bewahrt die Wertschätzung für unseren Beruf! „Zahlen, bitte!“ ruft in diesem Fall der Gastronom!

 

Was ist dein Fazit?
Ich hoffe, der Politik und der Öffentlichkeit ist bewusster geworden, dass wir zwar nicht so gewaltig und symbolträchtig daherkommen wie beispielsweise VW oder die Lufthansa. Nur in meiner persönlichen Empfindung sind wir viel tiefer in der Gesellschaft verankert, als es auf den ersten Blick erscheinen mag:

#wirsindWIRTschaft
#wirsindVIELfalt
#wirsindNAHrung

 

Eine Chance der Krise ist das man uns vermisst hat. Eigentlich ein schönes Kompliment. Ich möchte aber nicht Danke an das Virus sagen (#schleichdicorona).

Es mag naiv sein, idealistisch zu sein, pathetisch oder was auch immer, aber wir stehen auf und werden auch weiter unserer Passion nachgehen. Lakonisch könnte man sagen: Am Abgrund zu stehen, ist für Selbständige ja eh schon oft ein Erfolg!

 

 

www.cordo.berlin

www.gerhard-retter.de 

 

#saveyourlifestyle